Text für das Portfolio von Thomas Geyer | Enari Gallery | Juli 2023
Und wenn der Künstler wieder aus seinem Atelier aufbricht, um mit wanderndem Auge von seinen Motiven gefunden zu werden, dann hat er immer ein Marmeladenglas dabei, um uns später an seinem intensiven Erlebnis teilhaben zu lassen.
Könnte Thomas Geyer den Augenblick der Schönheit, des Wunders in einem Marmeladenglas konservieren, würde er es tun. Stattdessen kramt er in seinen Erinnerungen von ästhetischen Blicken und Sehnsuchtsmomenten und verwandelt sie zu stimmungsintensiven Gemälden.
Als Symbiose zwischen subjektiver Wahrnehmung und künstlerischer Nachkorrektur ist Geyer selbst der Maßstab, die Schnittstelle zwischen realer Erfahrung und momentaner Empfindung. Bei seinen Ausflügen in die Natur lässt er sich da nieder, wo er sich selbst am wohlsten fühlt. Meist ist das an harmonischen Treffpunkten von menschlichem Leben und landschaftlicher Wildnis, die Geyers persönlichen Lebensraum zwischen Stadt und Land widerspiegeln: ein zugewachsener Hinterhof, ein Badesee mit Einstiegsleiter, spitze Häuser, die hinter Dünen hervorragen.
Mit aus sich selbst leuchtenden Naturfarben wie Nachtblau, Waldgrün und Abendrot-Rosa richtet der Künstler seine ganze Aufmerksamkeit auf das erzählerische Potenzial, das er in diesem Augenblick für sich entdeckt hat. Kombiniert mit mattierenden Nuancen und Lichtreflexen ergibt sich dabei ein scheinbar zufälliges Schattenspiel, das sich mal im blaugrünen Seewasser spiegelt, mal als Mondscheinschimmer am weißen Sandstrand niederlässt.
Wenn sich Thomas Geyer im Atelier zu diesen lauen Sommerabenden, Meeresbrisen oder Frühlingsgefühlen zurücksehnt, holt er die konservierten Eindrücke, das Licht, die Gerüche und Geräusche hervor und breitet sie auf den Leinwänden aus.
Lichtfleck für Lichtfleck, Blätterdach für Blätterdach gräbt er sich zurück in ihre narrativen Atmosphären und beginnt ihre Geschichten von Neuem zu entfalten. In seinen Schilderungen verrät er gerade genug, um sich als Gast in seinen Szenerien heimisch zu fühlen – und lässt doch Raum für individuelle Geheimnisse. So gewährt uns der Künstler nicht nur Einlass in seine Refugien, sondern eröffnet sie als Kulissen, in denen unsere eigenen Erinnerungen stattfinden dürfen.
Es ist die Intensität des Moments, die absolute Schönheit und Ergriffenheit, die Geyer zum Maler gemacht hat. Doch in der Sehnsucht des Künstlers liegt auch eine Ernsthaftigkeit, ein drohendes Unheil, das uns alle begleitet – der Verlust eines Lebensraums, von dem wir selbst Bestandteil sind. Und es ist wichtig, die Lücken zu spüren, sagt Thomas Geyer. Ohne sie gäbe es kein Begehren, kein Gefühl der Vergänglichkeit, keine Wertschätzung für das Wunder, für all das Flüchtige, das er als Maler konservieren will.
Und wenn der Künstler wieder aus seinem Atelier aufbricht, um mit wanderndem Auge von seinen Motiven gefunden zu werden, dann hat er immer ein Marmeladenglas dabei, um uns später an seinem intensiven Erlebnis teilhaben zu lassen.
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