Katalog- und Ausstellungstext | Galerie FLOX, Dresden | September 2022
Betrachten wir die Werke von Thomas Geyer, ist es, also würden wir uns an einem lauen Sommerabend, irgendwo zwischen Sonnenuntergang und Dämmerung, aus dem Fenster lehnen und noch einmal die ausgelassene Atmosphäre des vergangenen Tages einatmen.
Der Blick aus dem Fenster war noch nie so atmosphärisch schön wie bei Thomas Geyer. Der Maler offenbart uns einen Lebensraum, der mal die Gestalt einer im Blätterdach verborgenen Villa, mal die eines versteckten Hinterhofs annehmen kann. Im Gegensatz zu Hitchcocks Krimi-Klassiker stehen dabei jedoch nicht die Menschen selbst im Fokus, sondern ihre Spuren, die sie in der Natur zurücklassen. Mal entdecken wir den Abdruck ihrer Existenz offensichtlich, z.B. in Form eines Stuhls, mal hält er sich bedeckter und lässt sich nur in einer Wasserspiegelung erahnen.
Aber da – da, ist das menschliche Leben in Geyers Arbeiten immer.
Seine Hinterhöfe sind Schutzräume und Lebenswelten, kreiert zum Ankommen und Verweilen. Zwischen Plattenbau-Romantik und Gartenszenerie befinden wir uns in einer ruhigen Schnittstelle von ländlichem und urbanem Raum. Wir sind ganz allein an diesen Orten, aber doch ohne einsam zu sein, denn sie selbst sind voll von Leben. Mal öffnen wir das Fenster zu einem auf einer Waldlichtung daliegenden Landhaus, mal hören wir das vergangene Lachen der Nachbarskinder, die sich eben noch im Innenhof des Hochhauses spielerisch ausgetobt haben. Betrachten wir die Werke von Thomas Geyer, ist es, also würden wir uns an einem lauen Sommerabend, irgendwo zwischen Sonnenuntergang und Dämmerung, aus dem Fenster lehnen und noch einmal die ausgelassene Atmosphäre des vergangenen Tages einatmen.
Dafür sind nicht nur seine ausgeglichenen Feierabendszenerien, sondern auch die Auswahl seiner paradiesischen Farben verantwortlich:
Ein romantisches Magenta und Sonnenuntergangsorange wird umspielt von rußigen Dunkelblau- und Waldgrün-Tönen, die die entspannten Abendstunden am Tagesende einläuten. Inmitten dieses dämmernden, diesigen Ausklangs sind da helle Lichtreflexe, mal in Form eines grauen Betons, mal als spiegelnde Oberfläche aus Glas. Sie sind es, die die Erinnerung an die eigene menschliche Existenz zurück ins Gedächtnis rufen. Schemenhaft und verborgen stellen sie die Frage, wer hier im Fokus steht: Fassen die Stadtbauten die Naturidylle ein oder rahmt das Blätterdach den Hinterhof? Diese mosaikhaften, schimmernden Puzzleteile beantworten die Frage selbst: Unsere Lebensräume sind nicht nur das Eine oder das Andere. Sie müssen etwas chaotisch, etwas frei sein, damit wir sie authentisch erleben. Zu einer gemeinsamen Existenz gehört der wilde Garten eben dazu. Es ist die Schönheit der vermischten Welten, die Geyers Szenerien heimisch werden lassen.
Doch auch der Ausstellungstitel „through the eyes of...“ wirft eine Frage auf: Mit welchem Blick besuchen wir die Orte in seiner Kunst? Sehen wir durch die Augen einer Hauskatze, die von einem Balkongeländer tänzelnd auf ihr Quartier blickt? Oder sind wir das Blatt an einem Baum, das seine verbleibende Existenz bis zum nahenden Herbst mit Seeblick ausklingen lässt? Vielleicht wachen wir auch als sonnenwarme Hauswand still über die Landschaft. Der Künstler gibt einen intimen Blick frei, ohne zu verraten, wer sich hinter seiner Wahrnehmung verbirgt. Er fragt geheimnisvoll: „Wer willst du sein?“ – und gestattet alle Antworten.
In „through the eyes of...“ erlaubt uns der Künstler, unsere eigene Realität in seinen Lebensräumen zu erzählen. Es sind die harmonischsten Spielorte, die Thomas Geyer für unsere Geschichten kreiert hat: Hier spürt man, wo man leben möchte. Ganz egal, ob in der Stadt oder auf dem Land, in einer Villa mit Freitreppe, auf einer Lichtung im Wald – oder, eben mit Fensterblick zum Hinterhof.
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